Gion A. Caminada - Switzerland
Stiva da morts
Vrin
2002



Until the completion of the funeral home in 2002, it was customary in Vrin, as in many villages in the canton of Grisons, to house the deceased within the own living quarters. The initial commission to the architect Gion A. Caminada called for the design and construction of a mortuary hall. The architect sought dialogue with the villagers and managed to create a special place for the rite before the funeral. The term "Stiva da morts" stands for a differentiated attitude concerning this design task.
The
"Stiva da morts" is located at the cemetery and forms an ensemble with the church. Due to its location between church and village, the "Stiva da morts" forms a transition not only in spiritual but also in urban respect. Accordingly, the building has an access from the village and an entrance from the cemetery. The two-storey building primarily turns towards the village. Due to the topography, the building appears only one-storey towards the cemetery and grows on the opposite side of the site. Like the neighboring houses, the "Stiva da morts" is built of wood, but differs from these by the glaze of white casein color. The corners of the block construction project unusually far over the facade surface, and form a reference to the pilaster strips of the church. The slightly pitched roof is covered with massive stone slabs. A stepped exposed concrete pedestal forms the transition between the wooden facades and the steeply sloping terrain.
The main room of the "Stiva da morts" is located on the lower floor and is directly accessible from the village. In this room, which turns clearly towards the village, the mourners gather around the corpse. Especially since this room was designed as a room for the village, and is intended to be used on other occasions such as readings, concerts or other social events, there is no fixed built catafalque. On the upper floor, there is a more intimate space as a retreat for conversation. The relatively generous fenestration allows views into the depths of the valley and the surrounding mountains as well as views of the cemetery and the village. Exceptional are the deep window niches, which protect against disturbing insights. In order to avoid excessive light, a sliding shutter can be closed in the main room.
In the interior, the somewhat rough massiveness of the timber structure is refined by a treatment with shellac. In comparison with the aged woods of domestic rooms, the surface appears brighter and nobler through this treatment. The shellac, which is especially used in instrument making, gives the surfaces a dull shine, which shimmers in the light between honey-yellow or golden color.
The construction of the "Stiva da morts" is a virtuoso development of the traditional block construction. The outer walls are designed as double knitted walls with intermediate thermal insulation. At the façade openings, the deep windows connect the two block walls. Although the construction is refined and sophisticated, it does not push itself into the foreground, but remains unobtrusive and pragmatic.


Bis zur Fertigstellung der Totenstube im Jahr 2002 war es in Vrin, wie in vielen Dörfern im Kanton Graubünden, üblich die Verstorbenen in den eigenen Wohnräumen aufzubahren. So forderte auch der anfängliche Auftrag an den Architekten Gion A. Caminada den Entwurf und Bau einer Aufbahrungshalle. Der Architekt suchte den Dialog mit der Dorfbevölkerung, und es gelang ihm einen speziellen Ort für das Übergangsritual vor der Beerdigung zu gestalten. Die Bezeichnung "Stiva da morts" steht für eine differenzierte Haltung gegenüber der gestellten Bauaufgabe.
Die Totenstube befindet sich am Friedhof und bildet ein Ensemble mit der Kirche. Durch diese Lage zwischen Kirche und Dorf bildet die "Stiva da morts" nicht nur in spiritueller sondern auch in städtebaulicher Hinsicht einen Übergang. Entsprechend hat das Gebäude einen Zugang vom Dorf und einen Zugang vom Friedhof.
Das zweigeschossige Gebäude wendet sich primär dem Dorf zu. Aufgrund der Topographie erscheint das Gebäude zum Friedhof nur eingeschossig und wächst auf der gegenüberliegenden Seite aus dem Gelände. Wie die benachbarten Wohnhäuser ist auch die "Stiva da morts" aus Holz gebaut, unterscheidet sich von diesen aber durch den lasierenden Anstrich mit weisser Kaseinfarbe. Die Ecken des Strickbaus ragen ungewohnt stark über die restliche Fassadenfläche, und bilden eine Referenz an die Lisenen der Kirche. Das flach geneigte Dach ist mit massiven Steinplatten eingedeckt. Ein Abgetreppter Sockel aus Sichtbeton bildet den Übergang zwischen den hölzernen Fassaden und dem steil abfallenden Gelände.
Der Hauptraum der "Stiva da morts" befindet sich auf dem unteren Geschoss und ist direkt vom Dorf her zugünglich. In diesem Raum, welcher sich klar dem Dorf zuwendet, versammeln sich die Trauernden um den aufgebahrten Leichnam. Zumal der als Stube für das Dorf konzipierte Raum bei Gelegenheit auch für andere Nutzungen wie Lesungen, Konzerte oder andere Gesellschaftliche Anlässe genutzt werden soll, gibt es keinen fest eingebauten Katafalk. Im oberen Geschoss gibt es einen intimeren Raum als Rückzugsort oder für Gespräche. Die verhältnismässig grosszügige Befensterung lässt Ausblicke in die Tiefe des Tals und auf die umgebende Bergwelt ebenso zu wie Ausblicke auf den Friedhof und ins Dorf. Aussergewöhnlich sind die tiefen Fensternischen, welche vor störenden Einblicken schützen. Um übemässiges Licht zu vermeiden, lässt sich im Hauptraum ein Schiebeladen schliessen.
Im Innenraum wird die etwas rauhe Massivität des Strickbaus durch eine Behandlung mit Schellack verfeinert. Im Vergleich mit den gealterten Hölzern der häuslichen Stuben wirkt die Oberfläche durch diese Behandlung leuchtender und edler. Durch den Schellack, welcher insbesondere im Instrumentenbau zur Anwendung kommt, erhalten die Oberflächen einen matten Glanz, der im Licht zwischen honiggelber oder goldener Farbe changiert.
Die Konstruktion der "Stiva da morts" ist eine virtuose Weiterentwicklung der traditionellen Strickbauweise. Die Aussenwände sind als doppelte Strickwände mit dazwischen liegender Wärmedämmung ausgebildet. Bei den Fassadenöffnungen verbinden die tiefen Fenster die beiden Strickbauwände. Obwohl die Konstruktion raffiniert und ausgeklügelt ist, drängt sie sich nicht in den Vordergrund, sondern bleibt unaufdringlich und pragmatisch.